11. Juli, 2017
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WEIL MAN ITALIENISCH AUCH MIT DEN HĂ„NDEN SPRECHEN KANNÂ
Italiener reden schnell, voller Energie, haben immer etwas zu sagen. Selbst dann, wenn sie den Mund halten: Ein unmissverständliches »Was zum Teufel willst du?«, »Verpiss dich!« oder »Mmm, wie köstlich!« lässt sich auch senza parole, ohne Worte, aus Fingerspitzen oder Handgelenk schütteln. Mit italienischer Gestik, Mimik und Co. ist es wie mit allen Sprachen dieser Welt: Nur wer die Regeln kennt und sie richtig anwendet, versteht seine Mitmenschen und wird selbst verstanden. Also los: Raus mit den Händen aus der Hosentasche!
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WEIL DAS DOLCE-VITA-PRINZIP GLĂśCKLICH MACHT
Italiener. So laut. So lebendig. So charmant. Sie genießen fantastisches Essen, haben viel Zeit für amore, Fußball und moda. Mehr als ein wunderbares Urlaubsklischee? Ich behaupte: ja! Glaube mittlerweile, dass das spontan herausgeballerte »Benissimo (supergut)!« auf die Frage »Come stai (wie geht’s)?« bei den meisten Italienern tatsächlich ihrem Seelenzustand entspricht. Das süße Leben aber ist keine Gabe, mit der höhere Mächte Italien zufällig und reichlich überschüttet haben, sondern Ergebnis eines sorgsamen Lebenswandels: Menschen in Italien zelebrieren la dolce vita, legen auch in Hektik, Stress und Krisenzeiten größten Wert auf ein Luxusgut: Zeit.
WEIL PIZZA, PASTE UND CO. IMMER IM MITTELPUNKT STEHEN
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In Italien dauert Essen länger. Erst trinkt man einen Aperitivo ( Prosecco, Campari oder Martini ) nimmt dazu ein Häppchen von den Antipasti und unterhält sich. Sogar der fleissige Norden gönnt sich zwei Stunden Pause zum Mittagessen. Im Süden kann es durchaus auch 16.00 Uhr werden bis alle Gänge von Pasta über Fleisch, Fisch, Dessert und Käse verzehrt sind. Dazu gehören natürlich ein bis mehrere Gläser regionaler Wein. Ein cremiger Espresso rundet ein solches Mahl ab.
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WEIL LA FAMIGLIA MEHR ALS VERWANDTSCHAFT ISTÂ
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Familie in Italien ist alles. Jung verheiratete Paare tafeln allsonntäglich bei Eltern oder Schwiegereltern, stunden-und ein Leben lang. Düsen fröhlich mit nonna, Oma, als Babysitter in den Urlaub. Urlaub. Solidarische Bande über Generationen hinweg sind selbstverständlich: Enkel scherzen mit zahnlosen Alten, Teenies balgen sich mit Krabbelkindern –gilt in Italien nicht als uncool. La famiglia arbeitet komplizierte Schichtpläne aus, um die hüftoperierte zia, Tante, im ospedale zu waschen, zu füttern und zu pflegen –rund um die Uhr. Steckt außerdem laxen Pflegern gehöriges Trinkgeld zu. Bisnonna, Urgroßmutter, kann von ihrer winzigen Pension nicht leben? Dafür gibt’s –per fortuna –Kinder! Seit jeher verlässt man sich in Italien aufs dicke Blut der Sippschaft statt aufs magere Budget des Staates. Aus nüchterner Notwendigkeit heraus. Vor allem in Süditalien (mangelnde Infrastruktur) ist es wichtig, miteinander auszukommen, ob man will oder nicht. In krisengeschüttelten Zeiten ist der Clan das einzige soziale Netz, das hält und Sicherheit verspricht.
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WEIL DER STRAND EINE BĂśHNE ISTÂ
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Was fĂĽr ein GlĂĽck: Sonne, drei Monate Sommerferien, ĂĽber 7.000 Kilometer zumeist badetauglicher MittelmeerkĂĽste vor der HaustĂĽr. Wen es im Sommer nicht mit aller Macht ans Meer treibt, der gilt in Italien als Eigenbrötler. Bereits im FrĂĽhling heiĂźt es in zumutbarer Strandnähe auf die Frage »Wo wart ihr am Wochenende?« zuverlässig: »Al mare (am Meer).« Wo genau –einerlei. Von fundamentaler Bedeutung ist lediglich, bloĂź nicht alleine il sole anzuschmachten, sondern mit möglichst vielen Verwandten oder amici.Â
WEIL SĂśDITALIENISCHE FRAUEN ĂśBER ZWEI KĂśCHEN HERRSCHEN
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Mittags, 34 Grad Celsius im Schatten. Ich hocke in Antonellas zweiter KĂĽche, einer weiĂź getĂĽnchten Baracke im Hinterhof. Ein Holzventilator mit abgebrochenen FlĂĽgeln pflĂĽgt durch schlierigen KĂĽchendampf. Meine Schwiegermutter schubst polpette (Bällchen aus Brösel, Ei und Parmesan) in siedend heiĂźes Ă–l. Spritz! Knall! Zisch! –Fetttröpfchen explodieren. Von wĂĽstenähnlichen Temperaturen lässt sich Antonella nicht ablenken: Auf einem Megaholzbrett warten noch in Teig getunkte ZucchiniblĂĽten sowie achtzig panzerotti (zusammengeklappte Mini-Pizzas) auf das prickelnde Ă–lbad. Allein der Anblick lässt mich satt werden. Fast alle sĂĽditalienischen Hausfrauen herrschen ĂĽber (mindestens) zwei KĂĽchen: eine im Wohnbereich des Hauses –im Sommer wenig genutzt –, die andere in einer Baracke im Hinterhof, im windschiefen Holzverschlag, in der Garage oder taverna, Kellerstube.Â
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WEIL DIE MITTAGSRUHE HEILIG IST
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Dass es das noch gibt: Gemüsehändler Pierfelice verfrachtet die letzte Kiste
Feigen in den Kühlraum. Ratsch! Ein sperriger Rollladen rasselt herunter. »Chiuso«, prangt auf der Ladentür von la parrucchiera, Friseurin Mariangela. Il benzinaio, Tankwart Enzo, verriegelt zwei Zapfhähne an uralten Tanksäulen –pausa pranzo, Mittagspause. In süditalienischen Dörfern und Städten tut sich zwischen 13 Uhr und 17 Uhr überall das Gleiche: niente. Kein Kindergeplärre, kein Radiogedudel, kein Hupen, kein Hämmern, kein »Come stai (wie geht’s)?«, quer über die piazza gebrüllt. Alles bleibt verrammelt –sogar la chiesa. Ganz Süditalien hält nachmittags den Atem an.
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WEIL LA MAMMA NUMMER EINS IM HERZEN EINES ITALIENERS IST
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Eines vorweg: »Viva la mamma!« ist in Italien mehr als nur Klischee. Die enge Beziehung italienischer Männer zur Mutter zu Recht berĂĽchtigt. Egal ob Latin Lover, stolzer pappagallo, Macho oder Weichei –italienische Söhne hängen gern bis Mitte dreiĂźig an Mutters SchĂĽrzenzipfel, genieĂźen den Rundum-Service im Albergo Mamma. Peinlich? Ach was! Dass Erwachsene noch im Kinderzimmer logieren, ist gesellschaftlich voll akzeptierter Lebensstil: Mama kocht die leckerste pasta. Mama stärkt maĂźgeschneiderte Hemden. Mama lagert die Winterkleidung des Sohnes ein. DafĂĽr kleidet sich der Nachwuchs der neuesten Mode entsprechend, ein neues Auto parkt vor der TĂĽr. Che paradiso, welch Paradies!Â
Quelle: 111 GrĂĽnder, Italien zu lieben